Der Weg zur Restauratorin

 

Diesen Weg geht man, weil man es möchte. 

Einen Weg, der sicherlich zur neuen Herausforderung wird, der nicht immer einfach sein aber der sich lohnen wird. Denn dieser Weg ermöglicht, am Ende Teil einer tollen Gemeinschaft zu werden, die ihr ganzes Tun daran setzt, historische Denkmale für die Allgemeinheit zu erhalten und zu pflegen. 

Bild: Akademie Schloss Raesfeld NRW

Mein Weg hat am 9. Februar 2023 in der Akademie Schloss Raesfeld mit dem 
1. Studiengang zum Master Professional für Restaurierung im Handwerk begonnen. In diesem gewerkübergreifenden Studiengang kommen 34 gestandene Handwerksmeister:innen aus sieben Gewerken (Tischler, Zimmerer, Maurer, Raumausstatter, Schmied, Stuckateur und Maler- und Lackierer) einmal im Monat für drei Tage zusammen um in den kommenden acht Monaten die Grundlagen der Restaurierung kennen und verstehen zu lernen. Im Anschluss an diesen Studiengang erfolgt die erste Prüfung.
Danach geht es in den 2. Studiengang, der fachspezifische Teil, der sich über 14 Monate erstreckt und ebenfalls mit einer Prüfung vor der HWK Münster abschließt. Parallel zu den beiden Studiengängen läuft eine Projektarbeit an einem Denkmal. Dies ist der dritte Prüfungsteil, der am meisten gewichtet. 
Nun besteht die erste Aufgabe darin, bis zum nächsten Schulwochenende ein passendes Denkmal für die Projektarbeit zu finden. 
Mainhausen, Februar 2023.

Bild: Aufmaß im historischen Dachstuhl

Am zweiten Schulwochenende hieß es vorhandenes Wissen schärfen.
Wir wurden in Fotografie geschult, haben technische Zeichnungen entworfen und durften Aufmaß Techniken am historischen Dachstuhl von Schloss Raesfeld üben.
Diese und noch andere Schwerpunkte dienen der Dokumentation und der Vorbereitung, um später professionelle Konzepte zur Restaurierung erarbeiten zu können.

Auch Stilepochen und deren Merkmale waren ein großes Thema, von Romanik bis hin zur Moderne. Ob an der Architektur der Gebäude, an der Gestaltung der Fenster und Türen oder an detaillierten Schnitzereien an Möbelstücken, jede Epoche hat Ihre eigenen Erkennungsmerkmale.

Somit kann parallel die Projektarbeit am ausgewählten Denkmal starten und die gelernten Prozesse können in Eigenarbeit vertieft werden.
Mein Denkmal für die Projektarbeit  ist Schloss Steinau a.d. Straße.
Mainhausen, März 2023.

Bild: Präsentationstechniken

Um gesammelte Informationen wie Texte und Bilder digital gefasst zu präsentieren,  stand am dritten Schulwochenende das Thema Präsentationstechniken auf dem Lehrplan. 
Angefangen von der Recherche zur Geschichte des Denkmals, über die Bestands- und Schadensaufnahme bis zur Konzeptfindung werden alle Informationen in einem dafür gewählten Computerprogramm zusammengefasst. So kann man beispielsweise dem Eigentümer ausgearbeitete Konzepte zur anstehenden Restaurierung verständlich erklären.
 
Handwerksgeschichte von der Antike bis in die Moderne war eine weitere Schuleinheit,  

es wurde über alte Handwerkstechniken und Werkzeuge gesprochen, welche auch teilweise heute noch zum Einsatz kommen.
 
Die gewählten Flächen zur anstehenden Projektarbeit sind nach Absprache mit dem Prüfungsausschuss ungeeignet da mehrere Gewerke 'Hand anlegen' müssten. Dies soll in der Ausbildung jedoch vermieden werden.
Nun geht die Suche für eine Fläche zur Projektarbeit vorerst weiter und es bleibt spannend.
Mainhausen, April 2023 

 

Bild: Untersuchung mittels Mikroskop Kamera

Untersuchungsmethodik- und verfahren, sowie Kunst- und Kulturgeschichte waren die Themen im Mai und das wurde uns von wirklich großartigen Dozenten gelehrt.

In der Schulung Untersuchungsmethodik wurden wir in Theorie und Praxis von der Leiterin der Bauhütte Kölner Dom geschult. Sie erklärte uns sehr verständlich wie man systematisch historischen Bestand untersucht und zeigte uns welche Verfahren dabei zum Einsatz kommen.

Die Kurseinheit Kunst- und Kulturgeschichte, mit Schwerpunkt Baustilepochen von der Antike bis in die Romanik, wurde vom Leiter des Emslandmuseum unterrichtet. Als Ethnologe und Landeshistoriker hat er uns Merkmale der Baustile aus der Antike bis in die Romanik (ca. 2000 Jahre Baugeschichte mit wirklich imposanten Bauten wie z.B. die Pyramiden in Ägypten, das Pantheon in Rom oder die dem  Weltkulturerbe UNESCO angehörigen Pfalzkapelle Aachen, Kloster Lorsch und Kloster Corvey) verständlich erklären können.

Für die Projektarbeit haben sich zwei geeignete Flächen gefunden, die jetzt dem Prüfungsausschuss präsentiert werden. 
Einmal eine Wandfläche mit Malerei um 1550 und die zweite Fläche, ebenfalls mit Malerei, befindet sich auf einer Aussteuertruhe um 1778.
Mainhausen, Mai 2023.

Bild: Ausschnitt einer Aussteuertruhe

Das fünfte Seminarwochenende hatte es in sich. Mit den Grundlagen der Bauphysik I und Chemie I und II sowie dem zweiten Teil Kunst- und Kulturgeschichte und Officetools gab es den vollen Input.

Bei der Bauphysik Teil I haben wir das Thema Wärme- und Feuchteschäden aufgegriffen und Ursachen angesprochen.
Chemie Teil I und II hat bei dem kleinsten Teil, dem Atom, angefangen und hat sich über diverse Bindemittel und Ihre Gewinnung/Herstellung gezogen.

Der zweite Teil Kunst- und Kulturgeschichte knüpfte an das vorherige Seminarwochenende an. Schwerpunkt war die Romanik und Renaissance und die stiltypischen Merkmale dieser Epochen. Es wurde die Architektur verschiedener Sakral- und Profanbauten anhand toller Bildmaterialen unseres Dozenten erläutert.

Bei der Schulung Officetools konnten wir uns ein wenig mit Präsentationsmöglichkeiten für Word und Excel probieren.

Zu guter Letzt gab es noch tolle Nachrichten zur Projektarbeit. Der Prüfungsausschuss hat die Aussteuertruhe um 1778 für passend befunden und somit kann die Projektarbeit endlich starten.
Eine schöne Geschichte startet genau JETZT...
Mainhausen, Juni 2023





Bild: Lesestoff Eigenstudium

Wissenschaftliche Arbeitsweisen, Methodik der Denkmalpflege, Grundlagen der Bauphysik II und Kunst- und Kulturgeschichte standen dieses mal auf dem Stundenplan, wir sind teilweise schon in die Wiederholung/Vertiefung einzelner Einheiten eingestiegen und es wurde intensiv über die Ausführung/Erarbeitung der Projektarbeit gesprochen. 

Bei Bauphysik II haben wir die Themen des vergangenen Wochenendes vertieft und sind den Ursachen und deren Beseitigungsmöglichkeiten auf den Grund gegangen.

Wer hätte es geahnt? In Kunst- und Kulturgeschichte haben wir uns erneut mit den Merkmalen weiterer Epochen beschäftigt.
Barock, Rokoko, Klassizismus, Historismus, Jugendstil und die Moderne wurden abgewickelt und das Thema 'Merkmale der einzelnen Architekturepochen' beendet, ein Kernstück dieser Ausbildung.

Nun sind wir fast am Ende der ersten Kurseinheit, dem gewerkübergreifenden Teil,  angekommen und die erste Prüfung steht Anfang September an. Einzelne Themenbereiche sind mehr als Umfangreich und erfordern sehr viel Zeit in der Nacharbeit, dem Eigenstudium.
Mainhausen, Juli 2023.

Bild: Schreiben mit der Feder

Das siebte Schulwochenende stand ganz im Zeichen der Chemie. Wir wurden in Arbeitsstoffe und Arbeitsschutz im Umgang mit chemischen Mitteln unterrichtet und durften uns in der Werkstatt selbst an Lösemitteln probieren.
Als kleinen Bonus stellten wir selbst Tinte her und brachten diese mit einer schönen Schwanenfeder zu Papier.

Die letzte Einheit Kunst- und Kulturgeschichte mit Schwerpunkt Historismus und Moderne war ebenfalls Unterrichtsstoff. Hier haben wir tolle Beispiele gesehen, wie ab Mitte des 19 Jhd sämtliche Epochenstile vergangener Jahrhunderte wild miteinander kombiniert wurden.

Dies war unser letztes Schulwochenende des gewerkübergreifenden Kurs. Wir läuteten den Endspurt ein und haben uns Ende August erneut zusammengefunden, um eine Woche am Stück noch letzte wichtige Informationen aufzunehmen und uns auf die anstehende Prüfung vorzubereiten, mit der Teil I der Ausbildung hier endet.
Prüfungsergebnis ausstehend.
Mainhausen, August 2023.

Bild: Kalkmörtel

Nun sind wir endlich im fachspezifischen Teil der Ausbildung angelangt und somit dürfen wir endlich neu Erlerntes in die Praxis umsetzen.
Der erste Kurs hieß Putz- und Mörteltechniken und er hatte es wahrlich in sich. Zuerst mussten wir etwas Theorie über uns ergehen lassen und sind auf verschiedene Bindemittel, Zuschläge und Zusätze eingegangen.
Danach hieß es Feuer frei...Brandkalk ablöschen und verarbeiten. Der gelöschte Kalk wird kalt, als Warm- ( bis 40°C) oder Heißkalk (ab 40°C - 80°C) verarbeitet und es werden beeindruckende Ergebnisse erzielt. Dauerhaft hochalkalisch, Schichtstärken von bis zu 10 cm in einem Putzgang, hohe Druckfestigkeit sind nur ein paar Vorteile die diese Verarbeitungstechniken mit sich bringen.

Putz- und Mörtelzusammensetzungen wie sie sich seit 1000 Jahren in Kirchen, Burgen und Schlössern bewähren...
Mainhausen, September 2023.

Bild: Anreiben von Malfarben

An diesem Schulwochenende wurden wir in alten Farbrezepturen für Mal- und Anstrichfarben unterrichtet.
Wir haben mit einer kurzen Einleitung in die Geschichte der Malerei angefangen: vor ca. 22.000 Jahren Höhlenmalerei, Malerei der alten Ägypter bis ca. 2.700 v. Chr., wirklichkeitsgetreue Malerei der Griechen und Römer, Freskomalerei aus dem Frühmittelalter, perspektivische Darstellung von raum und Landschaft in der Renaissance, prunkvolle Bauzierde mit Marmorierung und Vergoldung im Barock, Oberflächenimitation wie Holz, stein und Marmor in der Gründerzeit.
Es wurden verschiedene Bildgründe, Mal- und Bindemittel, Pigmente, Farbstoffe, Füllstoffe usw. besprochen und danach ging es an die praktische Durchführung und die Herstellung alter Farbrezepturen.
Mainhausen, Oktober 2023.

Bild: Freilegen einzelner Malschichten

Malereien und Anstriche 
- Zustandserfassung und -analyse - war der Schwerpunkt im Novemberseminar.
Wir haben uns intensiv mit non-invasiven und invasiven Untersuchungsmethoden von Malereien und Anstrichen befasst und wie man diese untersucht und bewertet.
Hier wurde das Thema UV- und Infrarotstrahlung aufgegriffen, Entnahmen von Proben und ihre Einbettung in Epoxidharz geübt, Stratigraphie (Malschichtentreppen) erarbeitet, und alle Ergebnisse ausgewertet.

Als Höhepunkt fand eine Exkursion in die Dombauhütte Köln statt. Hier wurden wir am Samstag morgen herzlich von unserer Dozentin empfangen, die in der Dombauhütte arbeitet. Wir durften uns einen Teil der Werkstätten anschauen und dann gab´s eine Führung auf (Dachstuhl), im (Dom und Chorumgang) und unter (Ausgrabung) dem Dom. 
Schwerpunk war die Architektur der Kathedrale aus der Epoche der Gotik. Wir konnten uns das Strebewerk mit Strebepfeilern, die Filalen, Kreuzblumen und das Maßwerk genau anschauen, das absolute Highlight war jedoch die originale Malerei des "Marientod" aus dem 13 Jhd.
Zum Abschluss wurden wir in die Ausgrabung geführt, welche bis in die Römerzeit reicht.
Mainhausen, November 2023.

Bild: Zerkleinern einer Putzprobe

Im letzten Kursinhalt 2023 haben wir und mit Umweltschäden an mineralischen Baustoffen befasst. Wir haben verschiedene Schadensbilder und Ursachen besprochen und und in der Werkstatt Untersuchungen an Proben vorgenommen.
Es wurden verschiedene Salze thematisiert und getestet, genommene Proben auf Feuchtigkeit und Kapillarität untersucht.
Wir haben uns mit Algen, Pilzen und Flechten beschäftigt und wie man bei den entsprechenden Schadensbilder vorgeht.

Dies war ein sehr informatives letztes Seminarwochenende in 2023 und wir konnten Bergfest feiern, denn die Hälfte der Zeit auf der Akademie Schloss Raesfeld und die Hälfte der Ausbildungszeit ist (leider) vorbei.
Mainhausen, Dezember 2023.


Bild: Imitation Kalkstein

Zum ersten Seminarwochenende 2024 wurden wir sehr kreativ und konnten unser Geschick ein wenig herausfordern.
Im Mittelpunt stand die Natursteinimitation und Marmormalerei mit alten Farbrezepturen.
Schwerpunkt waren Sandstein, Kalkstein oder Marmor.
Hierzu haben wir und vorab ein wenig mit der Gewinnung der einzelnen Steine beschäftigt und danach durften wir uns an deren Imitation üben.

Die Farben haben wir uns selber hergestellt.
Zum einen kam Kalk-Kasein-Farbe zum Einsatz und eine weitere Farbe war die Ei-Tempera, jeweils mit den passenden Pigmenten bestückt.
Verschieden Pinsel, Schwämme und Federn kam waren unsere Zeichenmittel.

Im Februar gab es überraschend das Ergebnis von der HWK Münster zu der gewerkübergreifenden Prüfung Teil I aus September. Diese Hürde ist geschafft, Prüfung gut bestanden.
Mainhausen, Februar 2024.

Bild: Hessischer Kratzputz

Historische Putze und Putzflächengestaltung war das Thema im April.
Unser Verständnis zur Herstellung von historischen Putzen wurde nochmals geschärft und wir bauten auf dem Seminar aus September auf. Hier lag der Schwerpunkt auch wieder bei Kalkputz in verschiedenen Varianten.

Neben der Herstellung ist die Technik, das Werkzeug und die Applikation des Putzes ausschlaggebend für die Oberflächengestaltung. Je nachdem, welche Oberfläche erzielt werden soll, muss das passende Werkzeug mit der passenden Technik angewendet werden. Um einen Kratzputz herzustellen kommt eine andere Vorgehensweise mit anderem Werkzeug zum Einsatz als wenn man ein Sgraffito oder Tadelakt aufarbeitet.

Eine besondere historische Technik der Putzgestaltung ist der "hessische Kratzputz". Sie reicht bis ins 17 Jhd zurück und ist heute teils noch in der Region Schwalm und im hessischen Hinterland zu sehen.
Es werden verschiedene Blumen- oder Tiermotive, Ornamente, Figuren usw. mit Hilfe verschiedenster Werkzeuge in den frischen Kalkmörtel gekratzt.
Diese Gestaltung zählt seit 2016 zum immateriellen Kulturerbe und steht somit unter besonderem Schutz.
Mainhausen, April 2024.